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T&V Kommentar | Q1 2022

Thalmann & Verling Trust reg.

Aktualisiert: 9. Juni 2023

Die Rückkehr der Geopolitik

Die drei Jahrzehnte nach 1989 waren historisch einmalig. Mit dem Zusammenbruch des Sowjetimperiums und der fortschreitenden Öffnung Chinas gelangten mehrere hundert Millionen Arbeitskräfte ins marktwirtschaftlich geprägte Weltwirtschaftssystem: Das waren die goldenen Jahre der Globalisierung. Unternehmen erhielten weltweit nie zuvor gekannte Möglichkeiten, ihre Produktion und die Lieferketten zu optimieren. China etablierte sich als Werkbank der Welt. Die vergangenen gut dreissig Jahre waren eine abnormale Zeit. Die Welt wuchs zusammen, begleitet von der Hoffnung, wachsender Wohlstand werde den Wunsch nach Freiheit und Frieden stärken. Es war eine Zeit des Überflusses und der dauerhaften Absenz von Inflation. Nun steht die Welt am Beginn einer neuen Ordnung, die von geopolitischen Bruchlinien, kalten und heissen Kriegen, Knappheiten sowie strukturell höherer Inflation geprägt sein wird. Es wird für Unternehmen wie auch für Investoren ein signifikant schwierigeres, anspruchsvolleres Umfeld. Die Zeitenwende ist nicht mit dem Einmarsch Russlands in der Ukraine am 24. Februar 2022 aufgetreten, auch nicht mit dem Erscheinen einer mysteriösen Lungenkrankheit (COVID) im chinesischen Wuhan gegen Ende 2019. Sie hat sich über Jahre schleichend aufgebaut, im Verborgenen, lange Zeit unbemerkt. Nun ist sie da.


Inflation und der Russland-Ukraine-Konflikt belasten die Märkte

Die Aktienmärkte sind schlecht ins neue Jahr gestartet. Der S&P 500 ist in den ersten 48 Handelstagen des Jahres 2022 um 11.8% gefallen, der viertschlechteste Start in ein Jahr in der Börsengeschichte. Die europäischen Börsen verloren mit über -20% gar noch mehr. Der Ausbruch des Russland-Ukraine-Konflikts, die in die Höhe rauschenden Rohstoffpreise, stark anziehende Inflationsraten und teilweise durchzogene Ausblicke der Unternehmen, drückten weltweit auf die Aktienkurse. Diese anhaltend negative Nachrichtenflut brachte die Märkte regelrecht zum Erliegen. Nach dem FED[1] -Meeting und weiterhin starken Arbeitsmarktzahlen in den USA anfangs März, kam es zu einer deutlichen Erholung, getrieben durch Käufe von Anlegern, welche den Rückschlag als Chance betrachteten.


Die erste Zinserhöhung in den USA ist Tatsache

Nach erneut rekordhoher Teuerungsrate von 7.9% in den USA, kündigte die Notenbank das Ende ihrer Nullzins-Politik an. Beim FED Meeting am 16.03.2022 hat die Federal Reserve beschlossen, ihren kurzfristigen Leitzins um einen Viertelprozentpunkt anzuheben. Damit liegt die neue Spanne für den Leitzins bei 0.25% bis 0.5%. Es war das erste Mal seit Ende 2018, dass die FED die Zinsen anhob und damit einen Lockerungszyklus beendete, der im Juli 2019 begann und mit der pandemiebedingten Zinssenkung im März 2020 auf beinahe 0% endete, um die taumelnde Weltwirtschaft zu stützen. Die politischen Entscheidungsträger in den USA werden dieses Jahr weitere Zinserhöhungen durchführen. Der Konsens für die Spanne des kurzfristigen Leitzinses liegt bei den Analysten für Ende dieses Jahres bei 2.5-2.75%.


Steht eine Rezession vor der Tür?

«Inflationsbekämpfung» mag abstrakt klingen, aber simpel ausgedrückt steigen die Preise in der Wirtschaft, wenn die Nachfrage zu gross und das Angebot zu knapp ist. Die Zentralbank kann die Angebotsseite nicht beeinflussen, also muss sie die Nachfrage hemmen: Wenn Menschen mehr Geld für Zinszahlungen verwenden müssen, bleibt weniger für Konsum übrig. Aber wenn die Zinsen zu stark erhöht werden, besteht das Risiko, dass damit das Wirtschaftswachstum erstickt und eine Rezession provoziert wird.


Wenn sich die Fakten ändern, ändern wir unsere Meinung

Wir haben wie die amerikanische Notenbank gehofft, die Inflation würde sich ab März durch die hohen Basiseffekte allmählich von alleine anfangen zurückzubilden. Leider hatten die wenigsten, auch wir nicht, mit dem Einmarsch in die Ukraine am 24.02.2022 gerechnet. Seit dem Ausbruch des Kriegs und dem Anstieg der Rohstoffpreise, wird sich der Inflationsdruck nun aber nochmals verschärfen. Dies könnte die amerikanische Notenbank zu aggressiveren als bisher angenommen Zinserhöhen zwingen und die Wirtschaft eventuell «abwürgen».


Unsere Ausrichtung

Die Finanzmärkte hoffen, dass es dem FED gelingen wird, den Inflationsdruck zu dämpfen, ohne eine Rezession zu provozieren. In der Vergangenheit hat dies aber meist nicht funktioniert. Da es unserer Meinung nach eine realistische Chance gibt, dass dieser Zinserhöhungszyklus in einer Rezession endet, haben wir unsere Portfolios defensiver ausgerichtet. Wir haben uns mehrheitlich von noch unprofitablen Firmen getrennt und werden die Erlöse teilweise in defensivere Firmen allozieren. Wir wollen zudem unsere Cash Quoten für eine längere Zeit auf einem höheren Level belassen. Hochqualitative Aktien (hohe Gewinnmargen und wenig/keine Schulden) sollten Schutz vor Stagflation bieten, da sie höhere Anschaffungskosten in Form von Preiserhöhungen an ihre Kunden weitergeben können.

[1] Die Federal Reserve Bank oder "Fed" ist die Zentralbank der Vereinigten Staaten.


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